Bald ist es wieder soweit: In der Zeit vom 01. März 2022 bis zum 31. Mai 2022 werden wieder deutschlandweit Betriebsräte gewählt. Im Jahr 2022 wird die Betriebsratswahl für die Wahlakteure und die Arbeitgeber dabei aber noch herausfordernder als sonst! Neben den Einflüssen der Corona-Pandemie gilt es dieses Mal auch die Neuerungen des Betriebsrätemodernisierungsgesetzes zu berücksichtigen. Das Betriebsrätemodernisierungsgesetz soll das Wahlverfahren bei der Betriebsratswahl vereinfachen und ist nach seiner Verkündung am 15. Oktober 2021 in Kraft getreten. An welchen Stellen eine Vereinfachung des Wahlverfahrens vorgesehen ist und ob der gewünschte Effekt auch wirklich eingetreten ist, werde ich nun in den folgenden Zeilen ein wenig näher beleuchten. 

Absenkung des Wahlalters 

Ab der Betriebsratswahl 2022 findet eine Verbreiterung der Wählerbasis statt, denn nach dem § 7 Betriebsverfassungsgesetz dürfen nun auch Personen, die das 16. Lebensjahr vollendet haben, mitwählen. Endlich – möchte ich sagen. 

Ausweitung des „vereinfachten Verfahrens“ 

Bisher war das sogenannte „vereinfachte Verfahren“ für Betriebe mit bis zu 50 Beschäftigten verpflichtend. Ab der Betriebsratswahl 2022 wird diese Pflicht auf Betriebe mit bis zu 100 Beschäftigen ausgeweitet. Bei der letzten Betriebsratswahl war es noch so, dass das „vereinfachte Verfahren“ in Betrieben mit bis zu 100 Beschäftigten freiwillig durch Vereinbarung mit dem Arbeitgeber durchgeführt werden konnte – diese Möglichkeit eröffnet sich nun für Betriebe mit bis zu 200 Beschäftigten. Aber ist das „vereinfachte Verfahren“ denn auch wirklich eine Vereinfachung und damit eine Erleichterung der Betriebsratswahl? Wohl eher nicht. Die Betriebsratswahl bleibt ein komplexer Vorgang, denn gerade bei dem „vereinfachten Verfahren“ laufen verkürzte Fristen. 

Weniger Stützunterschriften in kleinen Betrieben 

Durch Stützunterschriften für Wahlvorschläge wird dafür gesorgt, dass nicht ernst gemeinte Wahlvorschläge verhindert werden. Stützunterschriften bedeuten jedoch auch ein Mehr an Aufwand – gerade für kleinere Betriebe. Aus diesem Grund werden nun Betriebe mit bis zu 20 Beschäftigten entlastet. Betriebe mit bis zu 20 Beschäftigten benötigen nun keine Stützunterschriften für Wahlvorschläge mehr. Für Betriebe mit 21 bis zu 100 Beschäftigten erfolgt eine pauschale Absenkung auf zwei Stützunterschriften je Wahlvorschlag. Weiterhin ist bei Betrieben mit 21 bis 100 Wahlberechtigten für Vorschläge, welche auf der Wahlversammlung gemacht werden, keine Schriftform erforderlich. Die Unterstützung kann einfach per Handzeichen erfolgen. 

Video- und Telefonkonferenzen des Wahlvorstandes 

Mit dem Betriebsrätemodernisierungsgesetz sollen Betriebsratssitzungen nun dauerhaft digital per Video- oder Telefonkonferenz zulässig sein. Der wegen der Corona-Pandemie befristet eingeführte § 129 Betriebsverfassungsgesetz endete zum 30.06.2021. Durch die geplante Erweiterung des § 30 Betriebsverfassungsgesetz soll die Möglichkeit der digitalen Sitzung trotzdem weiter bestehen bleiben. Präsenzsitzungen haben dabei jedoch weiterhin Vorrang. Zudem bleiben bestimmte Aufgaben des Wahlvorstandes der Präsenzsitzung vorbehalten. Dazu zählen die Prüfung und Bekanntmachung von Vorschlagslisten und die Wahlversammlung sowie – im Falle des zweistufigen vereinfachten Wahlverfahrens – die Aufgaben während der ersten Wahlversammlung (die Aufstellung der Wählerliste, der Erlass des Wahlausschreibens sowie die Entgegennahme und Prüfung von Wahlvorschlägen). 

Neuregelungen zur Briefwahl für die Betriebsratswahl 2022 

Bei der Briefwahl – die trotzdem weiterhin eine Ausnahme bleiben soll – hat sich Einiges geändert! So wurden zum einen die Fälle ausgeweitet, in denen Arbeitnehmer per Briefwahl an der Betriebsratswahl teilnehmen dürfen. Bisher durften nur die Arbeitnehmer an der Betriebsratswahl per Briefwahl teilnehmen, die aufgrund der Eigenart ihres Arbeitsverhältnisses am Wahltag nicht vor Ort dabei sind. Nach dem neu gefassten § 24 Absatz 2 Nr. 2 der ersten Verordnung zur Durchführung des Betriebsverfassungsgesetzes dürfen künftig auch Arbeitnehmer, die zur Zeit der Wahl aus anderen Gründen, insbesondere bei Ruhen des Arbeitsverhältnisses oder Arbeitsunfähigkeit, nicht vor Ort sind per Briefwahl teilnehmen. 

Keine Briefumschläge bei der Präsenzwahl mehr notwendig 

Ab der kommenden Betriebsratswahl 2022 sind für die Präsenzwahl keine zusätzlichen kleinen Briefumschläge, in die man die Wahlzettel legt, mehr notwendig. Von nun an genügt es, wenn man die Wahlzettel vor dem Einwurf in die Wahlurne so faltet, dass man die Wahlentscheidung nicht sieht. Das Prozedere gleicht damit in etwa dem Vorgehen bei der Bundestagswahl. Dies spart Ressourcen und ist damit umweltfreundlicher, eine bahnbrechende Neuerung oder Vereinfachung ist dies jedoch sicherlich nicht. 

Öffnung der Briefwahlunterlagen 

Bisher war es so, dass die Briefwahlunterlagen bereits vor Abschluss der Stimmabgabe geöffnet werden durften. Dies ändert sich nun! Ab der Betriebsratswahl 2022 dürfen die Briefwahlunterlagen erst nach der Stimmabgabe geöffnet werden. Dadurch wird eine mögliche Beeinflussung der Präsenzwahl faktisch gänzlich ausgeschlossen, eine Verbesserung, die mehr als begrüßenswert ist. 

Einschränkung des Anfechtungsrechts  

Das Anfechtungsrecht wurde in § 19 Absatz 3 Betriebsverfassungsgesetz eingeschränkt. Ab der Betriebsratswahl 2022 ist das Anfechtungsrecht der Wahlberechtigten ausgeschlossen, sofern es darauf gestützt wird, dass die Wählerliste unrichtig ist, sofern nicht zuvor aus demselben Grund ordnungsgemäß Einspruch eingelegt wurde. Dies gilt jedoch nicht, wenn die Wahlberechtigten an der Einlegung des Einspruchs gehindert waren. Die Anfechtung durch den Arbeitgeber ist zudem ebenfalls ausgeschlossen, soweit sie darauf gestützt wird, dass die Wählerliste unrichtig ist und wenn diese Unrichtigkeit auf den Angaben des Arbeitgebers beruht. Durch diese Neuregelung, die eine bisher bestehende Gesetzeslücke schließt, wird die Rechtssicherheit der Betriebsratswahl gesteigert. 

Fazit zu den Änderungen des Betriebsrätemodernisierungsgesetzes in Bezug auf die Betriebsratswahl 2022 

Betrachtet man sich die einzelnen Neuerungen in Bezug auf die Betriebsratswahl 2022, so muss man feststellen, dass sie leider keine weitreichende Erleichterung ermöglichen. Zwar wurde hier und da nachgebessert, jedoch nicht grundlegend. Nichtsdestotrotz müssen sich nicht nur Wahlvorstände, sondern auch die Arbeitgeber mit den einzelnen Neurungen vertraut machen, um Anfechtungsrisiken effektiv zu minimieren. Positiv hervorzuheben ist jedoch die Herabsetzung des Wahlalters. Ich gehe davon aus, dass gerade dies nicht nur die Wählerbasis verbreitert, sondern auch mehr Interesse an der innerbetrieblichen Mitwirkung gerade bei den jungen Kollegen wecken wird. 

 

Mehr über Dr. Oliver Schmidt-Westphal, LL.M.

Zukunftsweisender Game Changer, Navigator mit Augenmaß und & unabhängiger Schrittmacher. Als kompetenter Experte der Arbeitswelt berate ich Sie zu allen Fragestellungen, die sich im Rahmen der modernen Berufswelt stellen und stehe Ihnen mit besonderer Expertise in den Bereichen Arbeits- und Mitbestimmungsrecht, digitale Transformation, künstliche Intelligenz und globale Lieferketten zur Seite. Als Fachanwalt für Arbeitsrecht, Change Manager und auch als Mensch.