Die Arbeitswelt wurde Anfang 2020 durch die Corona-Pandemie vor ungeahnte Herausforderungen gestellt. Die Teleheimarbeit, welche zuvor nur eine Ausnahme war, wurde für die meisten Bürotätigkeiten zur Regel. Zunächst als verpflichtende Coronaschutzmaßnahme für jede Tätigkeit, die ein Erscheinen im Büro nicht erfordert. Doch auch nach Auslaufen dieser Regelung zum 30. Juni 2021 hat die überwiegende Anzahl der Unternehmen ihren Arbeitnehmern fortan die Teleheimarbeit gestattet oder sogar gefordert. Aufgrund des aktuellen Infektionsgeschehens gilt nunmehr wieder die Pflicht zum Homeoffice. Die neue Regelung in § 28 b Absatz 4 Infektionsschutzgesetz entspricht dem Wortlaut der ehemaligen Regelung in § 28b Absatz 7 Infektionsschutzgesetz und verpflichtet Arbeitgeber, ihre Beschäftigten im Fall von Büroarbeit oder vergleichbaren Tätigkeiten anzubieten, diese Tätigkeiten in deren Wohnung auszuführen. Diese neue Regelung gilt vorerst befristet bis zum 19. März 2022. Wie es danach weitergeht, ist aktuell zumindest in Bezug auf den Infektionsschutz noch unklar.

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil möchte das Recht auf Homeoffice auch nach der Pandemie als Rechtsanspruch gesetzlich verankern. „Ich bin dafür, dass wir aus dem coronabedingten, ungeplanten Großversuch zum Homeoffice grundlegende Konsequenzen für die Arbeitswelt ziehen“, sagte er jüngst der Nachrichtenagentur dpa.

Das Recht auf Homeoffice suggeriert, dass die Teleheimarbeit eine von den Arbeitnehmern wünschenswerte Lebensgestaltung darstellt, die eine schützenswerte Rechtsposition begründen sollte. Doch was steckt dahinter? Welche juristischen Fallstricke gilt es zu berücksichtigen? In welchem Verhältnis stehen dazu die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats? Was sind die Chancen und Risiken des Homeoffices für Arbeitgeber sowie Arbeitnehmer?  Und wie sieht die Kehrseite aus, falls es irgendwann tatsächlich gar kein „Zurück ins Büro“ mehr gibt? Meiner Einschätzung nach stehen die Chancen und Vorteile all zu oft im Vordergrund. Ich möchte die Gelegenheit nutzen eine ganzheitliche Betrachtung zu ermöglichen.

Die Pläne zum Recht auf Homeoffice des Bundesarbeitsministers Hubertus Heil

„Mehr Fortschritt wagen –  Bündnis für Freiheit, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit“ ist der klangvolle Name des Koalitionsvertrages, der gerade auch für die Arbeitswelt mehr Fortschritt vorsieht. Für die moderne Arbeitswelt sollten berufliche Chancen ermöglicht werden sowie Sicherheit und Flexibilität in Einklang gebracht werden.

Ein essentieller Punkt ist dabei das Homeoffice, zu dem im Koalitionsvertrag ein Erörterungsanspruch der Arbeitnehmer zu finden ist: „Beschäftigte in geeigneten Tätigkeiten erhalten einen Erörterungsanspruch über mobiles Arbeiten und Homeoffice. Arbeitgeber können dem Wunsch der Beschäftigten nur dann widersprechen, wenn betriebliche Belange entgegenstehen. Das heißt, dass eine Ablehnung nicht sachfremd oder willkürlich sein darf. Für abweichende tarifvertragliche und betriebliche Regelungen muss Raum bleiben.“

Erst vor wenigen Tagen brachte Bundesarbeitsminister Hubertus Heil erneut das Recht auf das Homeoffice ins Gespräch. Die Koalition plane „moderne Regeln für das mobile Arbeiten in Deutschland“, unter anderem auch einen Rechtsanspruch auf das Homeoffice. Die Pläne sehen vor, dass den Beschäftigen auch nach der Corona-Pandemie das Arbeiten von zu Hause aus ermöglicht werden muss, sofern diese nicht zwingend vor Ort im Betrieb sein müssen. „Aber wenn der Arbeitgeber keine betrieblichen Gründe nennen kann, soll der Anspruch auf die Tätigkeit im Homeoffice bestehen. Das gibt endlich vielen Menschen die Möglichkeit, auch nach der Pandemie von zu Hause aus zu arbeiten.“

Ein fertiger Gesetzesentwurf zum Recht auf Homeoffice liegt bei Heil noch in der Schublade, wollte er doch bereits im Herbst 2020 (damals noch unter Angela Merkel) ein solches Recht durchsetzen. Hier gilt es abzuwarten, inwieweit der baldige Gesetzesentwurf von dem Damaligen abweicht. Sobald es dazu Neuigkeiten gibt, wird dieser Beitrag aktualisiert.

Homeoffice aus juristischer Sicht

Aus juristischer Sicht bietet der Themenkomplex des Homeoffices ein buntes Bouquet an rechtlichen Fragestellungen. Neben arbeitsrechtlichen Aspekten wie Homeoffice-Vereinbarungen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber und gegebenenfalls Anpassungen des Arbeitsvertrages, einer etwaigen Mitbestimmung durch den Betriebsrat nach § 87 Absatz 1 Nr. 14 Betriebsverfassungsgesetz, eine Ausstattungspflicht des Arbeitgebers oder auch eine auf Nutzung von Arbeitnehmerressourcen beruhende Kostenerstattung, müssen auch steuerrechtliche Belange sowie auch Aspekte der gesetzlichen Unfallversicherung bei Arbeitsunfällen ausgiebig beleuchtet werden. Noch spannender erscheinen in puncto Homeoffice jedoch die gesellschaftlichen Aspekte, die die Transformation der Arbeitswelt bei der Verlagerung der modernen Arbeit hin ins Homeoffice in sich birgt.

Chancen, die das Homeoffice bietet

Mobiles Arbeiten in Form der Teleheimarbeit wird von vielen Beschäftigten aber auch Arbeitgebern als „neue Freiheit“ aufgefasst. Maßgebend dafür sind eine Reihe von Chancen und positiver Nebeneffekte, die diese neue Form des Arbeitens bietet.

Für Arbeitnehmer steht vor allem die neu gewonnene Flexibilität im Vordergrund. Eine Zeitersparnis durch das Wegfallen des Pendelns, selbstbestimmtes Arbeiten und auch eine bessere Work-Life-Balance können für mehr Zufriedenheit bei den Beschäftigten sorgen, die ins Homeoffice entlassen sind.

Auch für Arbeitnehmer bietet das Homeoffice viele Vorteile. So sorgen zufriedene Mitarbeiter und ein größeres Bewerberspektrum, da die räumliche Distanz zum Präsenzarbeitsplatz nur noch eine untergeordnete Rolle spielt, auch für zufriedene Arbeitgeber. Daneben kann das Homeoffice auch ein echter Kostensenker sein. Es lässt sich optimal mit neuen Openworkspace-Konzepten verknüpfen, so dass eine deutlich geringere Anzahl an Präsenzarbeitsplätzen vorgehalten werden müssen. So können 40 % oder sogar mehr Präsenzarbeitsplätze eingespart werden. Dies sorgt mittelbar auch für geringere Energieaufwände für den Arbeitgeber.

Risiken, die das Homeoffice in sich birgt

Allerdings vermag das Homeoffice auch einige negative Aspekte und auch Risiken mit sich bringen.

Für Arbeitnehmer bedeutet das Arbeiten im Homeoffice vor allem erstmal höhere Kosten für die private Lebensführung. Diese vermag die Homeoffice-Pauschale nur in seltenen Fällen zu decken. Dies betrifft allen voran die Stromkosten, welche in der vergangenen Zeit zudem auch nicht nur unerheblich angestiegen sind. Zudem ist der Breitbandausbau in Deutschland noch nicht sehr weit fortgeschritten, sodass viele Menschen im Homeoffice nicht dieselbe Internetanbindung wie an ihrer Betriebsstätte haben. Daneben kann das Arbeiten im Homeoffice auch zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen führen. Zum einen können körperliche Leiden entstehen, da das Homeoffice selten so viel Arbeitsschutz bietet wie die vollausgestatteten Betriebsstätten. Außerdem könnte die dauerhafte Arbeit im Homeoffice auch zu psychischen Belastungen führen, da nicht nur weniger direkter Kontakt mit Menschen besteht, sondern auch die räumliche Trennung zwischen Arbeit und Privatem im Homeoffice immer schwerer fällt und so quasi eine Dauerbelastung eintritt, für die auch das Zuhause keine Erholung mehr zu bieten vermag.

Auch für Arbeitgeber birgt das Homeoffice einige negative Aspekte und auch Risiken in sich. Neben einer beachtlichen Menge an juristischen Fragen rund um das Homeoffice (Mitspracherecht des Betriebsrates oder auch Datenschutz im Homeoffice) sowie auch einiger technischer Herausforderungen, könnte durch das dauerhafte Entsenden der Beschäftigten ins Homeoffice vor allem die Beziehungsebene zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber leiden. So könnte der Arbeitgeber unter dem Gefühl des Kontrollverlusts leiden oder sich einem überregionalem Wettbewerb um Bewerber nicht mehr gewachsen fühlen. Auch die wichtige Identifizierung der Beschäftigten mit dem Arbeitgeber könnte aus dem Homeoffice heraus leiden, wodurch das besondere Vertrauensverhältnis einer zusätzlichen Belastung ausgesetzt wird.

Wie das Recht auf Homeoffice die Arbeitswelt transformieren wird – ein Ausblick

Die Corona-Pandemie war für viele Aspekte unseres Lebens ein Katalysator – allen voran für die Digitalisierung, den Online-Handel aber auch die moderne Arbeitswelt. Viele Veränderungen sind pfadabhängig und mittlerweile so in Gang gesetzt, dass man sie in Zukunft nur schwerlich wird bremsen können. Darunter fällt ein gesellschaftlicher Wandel, der das Aussterben der deutschen Innenstädte betrifft, genau so wie auch die Transformation unserer modernen Arbeitswelt.

Die Verlagerung der Arbeitswelt weg von den Betriebsstätten hin ins Homeoffice wird voraussichtlich auch solch ein Wandel sein. Während sich vor der Pandemie nur wenige Arbeitgeber mit dem Entsenden der Beschäftigten ins Homeoffice anfreunden konnten, ist dies mittlerweile der Zeitgeist geworden – und das nicht unter vielen Angestellten, sondern auch für Arbeitgeber.

Die Verlagerung der Arbeitswelt hin zum Homeoffice wird jedoch begleitet von weiterreichenden Themenkomplexen, die nicht nur die Arbeitswelt, sondern vor allem auch unsere Gesellschaft als Ganzes in der kommenden Zeit beschäftigen wird. So geht das Recht auf Homeoffice einher mit digitalen Lösungen und vor allem auch dem weiteren Ausbau des Breitbandnetzes, um eine effizientere Heimarbeitsstätte zu ermöglichen. Juristisch gesehen spielen auch einige europarechtliche Fragestellung dahingehend eine große Rolle und bedürfen teilweise noch der Klärung durch den europäischen und sodann gegebenenfalls den deutschen Gesetzgeber. Auch das Städtebild der deutschen Großstädte könnte einem Wandel erliegen, denn der Wegfall der Präsenzpflicht an der Betriebsstätte könnte das Leben im ländlichen Raum wieder attraktiver machen und sich auf unser gesamtes gesellschaftliches Leben auswirken. Blickt man auf die Beziehungsebene von Arbeitnehmer und Arbeitgeber, so wird das Vertrauensverhältnis zwischen diesen Akteuren der Arbeitswelt immer wichtiger. Für die Zukunft bedeutet dies, dass die Beziehungsebene zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer vermehrt auf Vertrauen statt Kontrolle fußt. Daneben wird auch die Work-Life-Balance eine Transformation widerfahren. Könnte dies vielleicht eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf bedeuten, weil gerade auch durch die Pandemie das Verständnis für das Familienleben neben der Arbeit gewachsen ist? Und wie wird sich das dauerhafte Homeoffice auf die psychische Gesundheit der Beschäftigten auswirken? Diese Punkte werden im Rahmen der Transformation der Arbeitswelt einen Ausgleich erfahren müssen. Die gewonnenen Möglichkeiten dürfen jedenfalls keine neuen Gefahren realisieren. Daher gilt es aus meiner Sicht schon jetzt die Gefahren von Morgen zu erkennen und diesen vorzubeugen.

Ich persönlich bin nun nicht nur gespannt, wie der Gesetzesentwurf von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil aussehen wird, sondern vor allem auch auf die gesellschaftliche Debatte hinter dem Themenkomplex des Homeoffice. Ein ausgewogener Diskurs, der nicht nur die positiven Effekte durch die vermehrte Einführung des Homeoffice ins rechte Licht rückt, sondern auch die Kehrseiten beleuchtet, ist hier wünschenswert.

Mehr über Dr. Oliver Schmidt-Westphal, LL.M.

Zukunftsweisender Game Changer, Navigator mit Augenmaß und & unabhängiger Schrittmacher. Als kompetenter Experte der Arbeitswelt berate ich Sie zu allen Fragestellungen, die sich im Rahmen der modernen Berufswelt stellen und stehe Ihnen mit besonderer Expertise in den Bereichen Arbeits- und Mitbestimmungsrecht, digitale Transformation, künstliche Intelligenz und globale Lieferketten zur Seite. Als Fachanwalt für Arbeitsrecht, Change Manager und auch als Mensch.