Seit nunmehr 20 Jahren ist es mir ein großes Anliegen eine faire Arbeitswelt mitzugestalten. Aus diesem Grund sah ich schon früh, dass die Globalisierung nicht nur Vorteile mich sich bringt. Im täglichen Leben, wie wir es kennen, beschert uns die Globalisierung nahezu jegliche Ware, die für unseren Alltag notwendig ist oder sogar einen Luxus darstellt. Aber um welchen Preis? Es ist schon einige Jahre kein Geheimnis mehr, dass die Verfügbarkeit dieser Waren nicht selten auf Menschenrechtsverletzungen zurückzuführen ist. Umso wichtiger war es mir immer wieder auf dieses wichtige Thema aufmerksam zu machen und für die Rechte aller Arbeitnehmer dieser Welt einzustehen. Es geht um die Rechte derjenigen, deren Zwangslage viele Jahre lang nahezu unbemerkt für den Konsum in unseren Breitengraden ausgenutzt worden ist. Menschen, die sich kaum wehren können und daher auf Hilfe angewiesen sind.

Mit großer Freude habe ich im Sommer des letzten Jahres vernommen, dass das sogenannte Lieferkettengesetz (eigentlich: Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz) verkündet worden ist. „Das Lieferkettengesetz ist das bislang stärkste Gesetz in Europa im Kampf für Menschenrechte und gegen Ausbeutung.“, so die Meinung des Bundesarbeitsministers Hubertus Heil. Doch kann der Inhalt des Gesetzes die von mir verspürte Freude bestätigen? Bringt das neue Gesetz eine wirkliche Verbesserung für Millionen von Menschen, die weltweit in Elend und Not leben, weil soziale Mindeststandards wie das Verbot von Zwangs- und Kinderarbeit missachtet werden? Eine kritische Auseinandersetzung ist in Anbetracht der immensen Relevanz angebracht. Das Gesetz  tritt ab dem 01.01.2023 in Kraft, also in knapp einem Jahr. Grund genug, um sich schon jetzt damit näher auseinander zu setzen, denn für Unternehmen besteht nun schon die Notwendigkeit ihre Compliance-Management-System sorgfältig auf Anpassungsbedarf zu überprüfen, um dann auch ab dem 01.01.2023 entsprechend zu handeln.

Lieferkettengesetz: Sinn und Zweck des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes

Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz soll der Verbesserung der internationalen Menschenrechtslage dienen und damit für eine faire Arbeitswelt sorgen, indem es Anforderungen an ein verantwortliches Kontrollsystem von Lieferketten für bestimmte Unternehmen festlegt. Unternehmen erhalten dadurch einen klaren, verhältnismäßigen und zumutbaren gesetzlichen Rahmen zur Erfüllung der menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten. Einen Rahmen, den man nachprüfen kann. Die Anforderungen an diesen Rahmen sind international anschlussfähig und orientieren sich am Sorgfaltsstandard („due diligence standard„) der VN-Leitprinzipien, auf dem der Nationale Aktionsplan basiert.

Ziel des Lieferkettengesetzes ist es, den Schutz der Menschenrechte in globalen Lieferketten zu verbessern. Es geht dabei jedoch nicht darum, überall in der Welt deutsche Sozialstandards umzusetzen, sondern um die Einhaltung grundlegender Menschen­rechts­standards wie des Verbots von Kinderarbeit und Zwangsarbeit. Dafür tragen auch Unternehmen in Deutschland Verantwortung. Sie müssen dafür Sorge tragen, dass in ihren Lieferketten die Menschenrechte eingehalten werden.

Lieferkettengesetz: Zentrale Regelungen des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz

Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz sorgt für gesetzliche Rahmenbedingungen für Unternehmen und definiert ganz klare Sorgfaltspflichten entlang der Lieferketten.

Unternehmen erhalten nunmehr einen klaren, verhältnismäßigen und zumutbaren gesetzlichen Rahmen zur Erfüllung ihrer menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten. Zudem werden die für die Kontrolle und Durchsetzung der Einhaltung der Sorgfaltspflichten zuständigen Behörden benannt und mit Eingriffsbefugnissen ausgestattet.

Daneben werden ganz klar definierte Sorgfaltspflichten entlang der Lieferketten etabliert. In Deutschland ansässige Unternehmen ab einer Größe von 3.000 Mitarbeitern werden dazu verpflichtet, ihrer menschenrechtlichen Verantwortung und Sorgfaltspflicht in ihren Lieferketten besser nachzukommen. Ab dem 01.01.2024 sinkt der Schwellenwert auf in Deutschland ansässige Unternehmen ab einer Größe von 1.000 Mitarbeitern.

Zu den Sorgfaltspflichten der Unternehmen zählen:

  • Einrichtung eines Risikomanagements und Durchführung einer Risikoanalyse
  • Verabschiedung einer Grundsatzerklärung der unternehmerischen Menschenrechtsstrategie
  • Verankerung von Präventionsmaßnahmen im eigenen Geschäftsbereich und gegenüber unmittelbaren Zulieferern
  • Sofortige Ergreifung von Abhilfemaßnahmen bei festgestellten Rechtsverstößen
  • Einrichtung eines Beschwerdeverfahrens im Falle von Rechtsverstößen
  • Dokumentations- und Berichtspflicht für die Erfüllung der Sorgfaltspflichten

Durch Einhaltung dieser Sorgfaltspflichten sollen die Rechte von betroffenen Menschen in diesen Lieferketten gestärkt werden. Dadurch soll auch den legitimen Interessen der Unternehmen an Rechtssicherheit und fairen Wettbewerbsbedingungen Rechnung getragen werden.

Meine Gedanken zum neuen Lieferkettengesetz

Obwohl es noch ein wenig hin ist, ehe die Regelungen des Lieferkettengesetz umgesetzt werden müssen, sind Unternehmen ab einer Größe von 1.000 Mitarbeitern schon nun gut beraten, sich mit den Auswirkungen auseinanderzusetzen. Betrachtet man die umfassenden (und je nach wirtschaftlicher Betätigung auch weitreichenden) Sorgfaltspflichten, sollten Unternehmen nun schon frühzeitig ihre Risiko-Management-Systeme auf einen etwaigen Anpassungsbedarf überprüfen.

Davon abgesehen, geht mir das Lieferkettengesetz nicht weit genug. In meinen Augen gehen Umweltschutz und der Schutz der Menschenrechte Hand in Hand. So hätte die Umwelt ein eigenständiges Schutzgut im Rahmen des Lieferkettengesetzes sein sollen. Zudem bezieht sich das Gesetz nicht auf die gesamte Wertschöpfungskette, sondern nur auf direkte Zulieferer eines Unternehmens. Bei indirekten Zulieferern sollen Unternehmen umweltbezogene Risiken nur dann ermitteln, wenn der begründete Verdacht ermittelt wurde, dass Schäden entstanden sind. Dabei finden Umweltschäden überwiegend am Anfang globaler Lieferketten statt. Außerdem fehlt dem Gesetz eine zivilrechtliche Haftungsregelung für den Fall, dass Unternehmen gegen die Sorgfaltspflicht verstoßen. Von Menschenrechtsverletzungen Betroffene sind damit weiterhin so gut wie chancenlos, wenn sie deutsche Unternehmen vor deutschen Zivilgerichten wegen Menschenrechtsverstößen zur Verantwortung ziehen wollen.

Insgesamt bleibt abzuwarten, welche Besserungen das Lieferkettengesetz in der Realität mit sich bringt. Für eine nachhaltige Verbesserung der Lage von Menschen, deren Rechte missachtet werden, bedarf es trotzdem weiterhin unabhängige und gemeinnützige Organisationen, die entsprechende Verstöße rügen und auch durchsetzen.

Mehr über Dr. Oliver Schmidt-Westphal, LL.M.

Zukunftsweisender Game Changer, Navigator mit Augenmaß und & unabhängiger Schrittmacher. Als kompetenter Experte der Arbeitswelt berate ich Sie zu allen Fragestellungen, die sich im Rahmen der modernen Berufswelt stellen und stehe Ihnen mit besonderer Expertise in den Bereichen Arbeits- und Mitbestimmungsrecht, digitale Transformation, künstliche Intelligenz und globale Lieferketten zur Seite. Als Fachanwalt für Arbeitsrecht, Change Manager und auch als Mensch.